Vor 13 Monaten und ein paar Tagen stand die Ausstellung „Adhäsion“ kurz vor der Eröffnung, als Bauexperten Schäden am Nordgiebel der Städtischen Galerie feststellten und das Haus kurzerhand schlossen. Die beiden Künstlerinnen Lotte Füllgrabe-Pütz und Setsuko Fukushima waren nicht gerade „amused“, umso mehr freuten sie sich jetzt, dass die Ausstellung nun nach erfolgreicher Sanierung über die Bühne gehen kann – und für ihre Exponate sogar zwei Räume mehr zur Verfügung stehen.
In Lotte Füllgrabe-Pütz und Setsuko Fukushima haben sich wohl zwei Seelenverwandte getroffen, zumindest was das Verständnis von Kunst anbelangt. Beide verzichten auf klare Farben, beide experimentieren sie mit der Natur, mit organischen Materialien, Pflanzenteilen, in einer Arbeit kommt sogar ein Baumstamm vor. Fukushima, die wie der Name vermuten lässt, aus Japan stammt und dort Kunst studiert hat, folgte ihrem Mann nach Deutschland, wo das Paar jetzt in der Nähe von Düsseldorf lebt. Füllgrabe-Pütz und Setsuko Fukushima haben sich in einer Ausstellung in Bochum-Langendreer kennen gelernt und haben auch in der Galerie „Lygnaß“ von Füllgrabe-Pütz gemeinsam gearbeitet.
Behausung für Samen und Schoten
Wer durch das halbe Dutzend Räume geht, kann viel entdecken. Lotte Füllgrabe-Pütz sammelt Samen, Schoten, Blüten, Erdnussschalen oder Raupengehäuse und packt sie, wie sie sagt, „in eine Behausung“, in Zellulose-Tütchen aus Architektenpapier (die Künstlerin ist auch Architektin) oder manchmal sogar in Butterpapier. „In dieser Hülle will ich das Gesammelte speichern, erhalten, schützen, vielleicht sogar verbergen.“ Viele Hüllen zusammen bilden die Elemente für ein größeres Konstrukt – zum Beispiel einem Kleidungsstück. „Kleidung ist auch eine Hülle“, sagt die Künstlerin. Die Elemente sind mit Drähten vernetzt. In den Hüllen eines dieser Kleidungsstücke steckt Müll aus der Fußgängerzone. In einer Serie von Rahmen lässt die Künstlerin die Jahreszeiten abfolgen: Narzissenblüten (Frühling). Apfelscheiben (Sommer), Buchenblätter (Herbst), Affenbrotbaumschoten (Winter). Ihre räumlich größte Arbeit: 16 nebeneinander aufgestellte Notenständer, die jeweils ein Tableau aus unterschiedlich dargestellten „Notenblättern“ enthält. „Jede Blüte“, sagt Füllgrabe-Pütz, „hat eine andere Melodie“.
Alternative Botanik
„Mein Grundthema ist Natur – und dazu die Geschichte“, sagt auch Setsuko Fukushima. „Ich bewahre die Geschichten auf und beobachte, was daraus wächst. Ich nenne das Alternative Botanik, ein Begriff, der von mir erfunden wurde.“ Sie plant sogar, ein Museum daraus aufzubauen. So hat sie sonderbare Wesen, „erfundene Gebilde“, aus beiger Keramik geformt, die in Kästen aus Mulch liegen. Besonders auffällig: Große Keramikkugeln mit Guckloch, durch das der Betrachter auf eine Farbfotografie schaut. Gucklöcher gehören überhaupt zu ihren Favoriten.
„Farbe ist nicht so wichtig“, betont sie, „die Form spielt eine große Rolle.“ Ihre Bilder aus Graphit und Wachs auf Holz gleichen unscharf fotografierten Samenkapseln. Ihre größte Arbeit ist ein Baumstamm, aus dem strahlenförmig mehrere Meter lange Papierstreifen herausschießen, bedruckt mit einem Text aus einem Buch von Kurd Lasswiz: Universale Bibliothek. Titel der Arbeit: „Baum und Buch können den gesamten Kosmos darstellen.“ Textfragmente, Begriffe, Buchstaben spielen in mehreren ihrer Arbeiten eine Rolle. Übereinander gestellte Kästen verbergen Geheimnisse. Sie scheinen mit Rindenmulch gefüllt zu sein, wenn man das braune Material mit dem Finger wegstreicht, kommt eine Glasscheibe zum Vorschein, hinter der Wörter und Begriffe auftauchen.
Horst Martens
ADHÄSION – Lotte Füllgrabe-Pütz (Herne) und Setsuko Fukushima (Meerbusch)
Vom 29. September bis 26. November 2017
Ausstellungseröffnung: Freitag, 29. September, 19 Uhr